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04.03.2015 - Fachartikel - Verbraucher / Recht

Nach 20 Jahren Schengen: Macht Athen das Abkommen zur Falle?

Werden Flüchtlinge zum Joker im Pokerspiel um den Schuldenerlass für Griechenland?

(Initiative Mittelstand) Werden Flüchtlinge zum Joker im Pokerspiel um den Schuldenerlass für Griechenland? Sicher ist: Mit der Drohung der griechischen Regierung Europa zu „überfluten“, indem 300.000 Flüchtlinge Reisedokumente bekommen, erreicht der Zwist in Europa eine neue Eskalationsstufe. Die Ausgangslage ist bekannt. Über die Ägäis und die türkisch-griechische Grenze kommen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Griechenland. Viele leben illegal auf der Straße oder sind inhaftiert – die Regierung selbst gibt zu, dass sie unter oft erbärmlichen Bedingungen leben. Die Regierung beziffert ihre Zahl auf 2,5 Mio. – wirklich gesicherte Zahlen gibt es nicht (1). Genaue Zahlen gibt es aber zu den Asylbewerbern: Im Jahr 2013 wurden demnach in Griechenland knapp 10.000 Asylanträge gestellt, während es in Deutschland annähernd 130.000 waren (2). Natürlich ist Deutschland auch ein wesentlich größeres Land. Aber auch bezogen auf die Bevölkerungszahl ist die Asylbewerberquote in Griechenland niedrig: 2013 kamen dort auf 1.000 Einwohner 0,7 Asylanträge, während es in Deutschland 1,6 waren. Etwas höher noch als in Deutschland lag die Asylquote in Belgien (1,9), Ungarn (1,9) und Österreich (1,9).

Einsam an der Spitze aber liegt Schweden mit einer Quote von 5,7 (3). Ein Grund für den Zustrom nach Schweden ist, dass die Chancen als Flüchtling über einen der verschiedenen Rechtstitel (u. a. Genfer Flüchtlingskonvention) dort Schutz zu erhalten, relativ hoch sind. In Deutschland ist die „Anerkennungsquote“ deutlich geringer (4). Die nicht als Asylbewerber anerkannten Zuwanderer können aber oft im Land bleiben, indem sie z. B. einen „Duldungsstatus“ bekommen. Zu solchen rechtsstaatlichen Verfahren kommt es in Griechenland oft gar nicht und wenn, dann ist die Anerkennungsquote äußerst gering (5). Sie liegt so niedrig wie fast nirgendwo sonst in Europa, nicht nur weit niedriger als im Norden, sondern auch als in Spanien und Italien. Das hat gewiss auch mit den wirtschaftlichen Nöten, ganz offensichtlich aber mit dem Fehlen einer funktionsfähigen Verwaltung und vielleicht auch etwas mit einer geringeren Bereitschaft zu tun, Fremde aufzunehmen. Aus Sicht der Migranten ist Griechenland nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in den wohlhabenderen Norden Europas. Die griechische Regierung droht nun, diesen Migrationsstrom nach Norden zu forcieren.

Die verbal gemäßigtere Form der Drohung mit den Migrationsströmen lautet, die Migranten unter „Berücksichtigung der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder“ auf die EU-Staaten zu verteilen (6). Die wohlhabenden Länder, die ohnehin schon die meisten Zuwanderer aufnehmen, sollen also noch mehr Zuwanderer aufnehmen. Dabei tun sie das bereits: Auf Schweden und Deutschland entfielen 2013 jeweils ca. ein Drittel aller Anträge von Syrern, die innerhalb der EU Asyl suchten (7). Auch deshalb sind in Deutschland die Asylanträge zuletzt sprunghaft gestiegen (8). Noch mehr Asylantragsteller als aus Syrien kommen aber aus Russland und dem Balkan (9). Es ist also nicht nur der Krieg im Nahen Osten, der die Asylgesuche steigen lässt, sondern auch die Flucht vor Armut. Um die Armutsmigration über Asylverfahren zu begrenzen, hat die Bundesregierung Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Drittstaaten“ eingestuft. Neuerdings verstärkt sich dafür der Zustrom aus dem Kosovo. Selbst wenn Deutschland auch den Kosovo als „sicheren Drittstaat“ einstufen sollte, dürfte der Migrationsstrom anhalten.

Das Problem ist das vor  20 Jahren eingeführte Schengen-System (im März 1995 wurden die letzten Grenzkontrollen zwischen den damaligen Mitgliedsstaaten abgeschafft), das im Zuge der EU-Osterweiterung immer weiter ausgedehnt wurde. Die heutigen Außengrenzen der Schengen-Zone gehören zu Ländern wie Griechenland, Italien oder Ungarn, die mit der Grenzsicherung überfordert sind. Innerhalb der Schengen-Zone herrscht Freizügigkeit, die eine separate Sicherung der deutschen Grenzen unterbindet. Dieses System nutzen bekanntlich auch Kriminelle, wie die steigenden Einbruchszahlen belegen. Sicherheit und Eigentum seiner Bürger zu schützen, fällt dem Staat also zunehmend schwerer. Gleichzeitig bürdet die deutsche Regierung ihren Bürgern Milliarden Haftungsrisiken für EU-Länder auf, die nicht willens oder in der Lage sind ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Und zum Dank droht die neue griechische Regierung jetzt mit einer neuen Flüchtlingswelle. Sieht so die von der Politik beschworene „Solidarität der Europäer“ aus?

(1)  Siehe hierzu: Handelsblattonline vom 2.8.2.2015: http://www.handelsblatt.com/politik/international/migranten-als-druckmittel-griechenland-droht-eu-partnern-mit-hunderttausenden-fluechtlingen/11438790.html.

(2)  Vgl.: Anstieg der Asylbewerberzahlen in Europa (Abbildung).

(3)  Vgl.: Aufnahme von Asylbewerbern in Europa (Abbildung).

(4)  Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung (Migrationsbericht 2013), Berlin 2015, S. 183.

(5)  Vgl. ebd.

(6)  Siehe hierzu: Handelsblattonline vom 2.8.2.2015: http://www.handelsblatt.com/politik/international/migranten-als-druckmittel-griechenland-droht-eu-partnern-mit-hunderttausenden-fluechtlingen/11438790.html.

(7)  Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Migrationsbericht 2013, a.a.O., S. 187.

(8)  Vgl.: Aufnahme von Asylbewerbern in Europa (Abbildung).

(9)  Vgl.: Woher kommen die Asylbewerber? (Abbildung).

http://www.lifepr.de/pressemitteilung/institut-fuer-demographie-allgemeinwohl-und-familie-ev/Nach-20-Jahren-Schengen-Macht-Athen-das-Abkommen-zur-FalleOE/boxid/534162

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