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Mittelstandspresse

04.02.2016

Resilienz in der Ersatzteillogistik: Zukunft durch Anpassung

Vier Fragen an Dr. Stefan E.A. Recknagel, Vice President Part Logistics, BSH Hausgeräte und Sprecher der BVL Regionalgruppe Franken

[PDF] BVL16 Programm Forum Ersatzteillogistik
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Bremen, 04.02.2016 (PresseBox) - Auf dem Forum Ersatzteillogistik am 3. März 2016 in Nürnberg geht es um Trends und Herausforderungen im Ersatzteilmanagement als Teil des After-Sales-Service. Ein aktuelles Konzept aus diesem Bereich ist das Resilienzmodell für Lieferketten, das Dr. Stefan Recknagel bereits erfolgreich bei BSH Hausgeräte eingeführt hat. Das Resilienzmodell macht Logistik- und Lieferketten gegenüber Störungen widerstandsfähiger. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Psychologie und beschreibt Menschen, die auch unter sehr widrigen äußeren Umständen erfolgreich ihren Lebensweg gestalten können. Auf Unternehmen des Wirtschaftsbereichs Logistik übertragen bedeutet dies für ein Unternehmen, nach in- oder extern verursachten Störungen und Schocks möglichst schnell wieder zu einem geordneten Regelbetrieb übergehen zu können - oder den externen Einwirkungen gleich ganz zu widerstehen.

(Bundesvereinigung Logistik) Die Übertragung eines psychologischen Begriffs auf Managementkonzepte im Wirtschaftsbereich Logistik erscheint zunächst eher ungewöhnlich. Wie ist es Ihrer Einschätzung nach dazu gekommen?

(Dr. Stefan Recknagel) Ich persönlich bin im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements darauf gekommen. Heute steigt vor allem die psychische Belastung am Arbeitsplatz. Stichworte sind hier beispielweise Stress, Arbeitsvolumen und –verdichtung, Informationsflut und Spam. So kommt man dazu, über Burn-Out-Theorien und Stressvermeidungsansätze nachzudenken. Hier ist der Weg zum Resilienzbegriff nicht weit. Die Innovation in Richtung Logistik ist dann in erster Linie eine Transferarbeit - man könnte es auch einen „kreativen Klau“ nennen!

In Unternehmen soll die Einführung des Resilienzmodells in Lieferketten vor allem die Merkmale "Agilität" und "Stabilität" steigern. Was bedeuten diese Merkmale bei Lieferketten, was zeichnet eine agile und stabile Supply Chain aus?

Auf den Punkt gebracht: in der Veränderungs- und Anpassungsgeschwindigkeit. Wenn ein Vulkan in Europa ausbricht und das Fliegen unmöglich macht, muss ich so schnell wie möglich einen Bypass eröffnen, um über andere Wege wie beispielsweise den Landtransport liefern zu können. Entscheidend ist dabei die Geschwindigkeit des Krisenmanagements. Dies gilt beispielsweise auch, wenn ein Spediteur oder ein anderer Partner in die Insolvenz geht – hier muss ich vorbereitet sein. Resilienz geht dabei über die klassischen Notfallpläne hinaus, da der Begriff im Grunde genommen eine Philosophie der Wandlungsfähigkeit beschreibt. Oder wie es Thomas Exner, Supply Chain Manager bei Siemens, ausgedrückt hat: Resilienz ist „… eine nie abschließbare, permanente Einsatzbereitschaft, ein Notfall auf Dauer“.

Es gilt, einen Ausgleich zwischen den zwei Polen Stabilität und Flexibilität zu finden. Idealerweise ausgeglichen sind beispielsweise Wolkenkratzer: die müssen robust und stabil, aber auch elastisch und flexibel sein. Nur so werden sie bei großen Windkräften nicht einstürzen und können auch gegen Erdbeben bestehen. Vorbild ist der Grashalm: schlanke Physiognomie, hoch, biegbar und trotzdem stabil – das ist für mich eine gutes Beispiel. Denken Sie an die harte deutsche Eiche, die es nur in unseren Breiten gibt, wohingegen Gras in fast allen Klimazonen vertreten ist.

Gab es auch Widerstände im eigenen Haus bei der Einführung des Resilienzmodells, die Sie überwinden mussten?

Die klassische Geschichte dazu ist die vom „Mann im Wald“, der sagt, er habe keine Zeit, seine Säge zu schleifen, da er so viele Bäume fällen müsse. Oft liegen operativ drängende Probleme im Tagesgeschäft einfach viel näher als strategische Themen. Dies ist eines der Haupthemmnisse. Aber auch ein abstraktes Modell wie Resilienz ist, wenn man es mit Beispielen operationalisiert, einzelnen Menschen relativ leicht vermittelbar. Dazu gehören Fragen nach dem besten Weg zur Erreichung der gewünschten Agilität, Diversität, Redundanz usw. Dies lässt sich mit Hilfe unseres Resilienzmodells in eine Matrix-Struktur übertragen, die dann den Mitarbeitern vermittelt werden kann. Aber sich die Zeit zu nehmen, für etwas das weit in der Zukunft liegt, ist weiterhin die Haupthürde.

Am Ende des Tages muss jede Maßnahme in Unternehmen auch Ergebnisse erzielen. Wie lässt sich der unternehmerische Erfolg von Resilienz messen?

Es gibt einige Werte, die sich aus dem klassischen Risk Management und Business Continuity Management übertragen lassen. Dazu gehört beispielsweise, um wie viele Wochen sich bei einem Lagerausfall die Zeit bis zum Wiederanlauf verkürzen lässt, wie flexibel Kapazitäten sind oder auch wie viele Artikel über mehrere Brandschutzabschnitte verteilt sind. Darüber hinaus gibt es aber (noch) wenig: wenn das Thema Resilienz beispielsweise in Human Resources angewendet werden soll, wird es schwierig. Wenn ein Mitarbeiter erkrankt, so ist die Überraschung oft groß, auch wenn Statistiken vorliegen, die zeigen, dass dies erwartbar war. Hier haben wir oft einen blinden Fleck und können und wollen einfach nicht begreifen, dass der Störfall den Normalfall abbildet. Wenn ich im Rahmen des Resilienzmodells den Ernstfall schon vorwegnehme und durch Maßnahmen wie Jobrotation, Springer und ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement Störungen umgehe, so lässt sich dies nicht erfassen. Schäden, die durch erfolgreiche Prävention vermieden werden, können leider nicht gemessen werden!

Das Interview führte Hermann Assmann, Mitarbeiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BVL.

Webseite zum Forum Ersatzteillogistik www.bvl.de/fel

Ansprechpartner

Ulrike Grünrock-Kern
+49 (421) 17384-21
Zuständigkeitsbereich: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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BVL16 Foto Dr. Stefan E. A. Recknagel